Гуссерль і Хайдеггер |
Friedrich-Wilhelm v. Herrmann Husserl-Heidegger und "die Sachen selbst" Die phänomenologische Maxime "Zu den Sachen selbst" und die Vorurteilsüberlegenheit. Das Bewußtsein und die Sorge um die erkannte Erkenntnis. Die Sorge der Gewißheit und die Verunstaltung der phänomenologischen Befunde. Die Sorge um die Freigabe des Daseins selbst. 1. Die phänomenologische Maxime "Zu den Sachen selbst" und die Vorurteilsüberlegenheit Im Wintersemester 1923/24 eröffnet Heidegger seine Marburger Lehrtätigkeit mit der Vorlesung "Einfürung in die phänomenologische Forschung" [1], die von der Absicht getragen ist, "die Phänomenologie als Möglichkeit zu verstehen und fortzubilden" (a.a.O., S. 263). Phänomenologie als Methode findet für Heidegger einzig ihren Ausdruck in der von Husserl geprägten Maxime "Zu den Sachen selbst". Die Betonung des Möglichkeitscharakters der Phänomenologie weist darauf hin, daß die Auslegung, die Husserl dieser Maxime gegeben hat, nur eine Möglichkeit ist, als welche die Phänomenologie als ein von der Selbstgebung der Sachen sich bestimmendes Philosophieren ergriffen werden kann. Angesichts diser einen Moglichkeit, die in Husserls Phänomenologie als deskriptiv eidetischer Wissenschaft vom transzendental reinen Bewußtsein faktisch geworden ist, erhebt sich die Frage, ob in dieser Auslegung dem methodischen Prinzip schon in der Weise entsprochen ist, daß die Sachen selbst wahrhaft freigegeben sind, um frei von ihnen selbst her begegnen zu können. Deshalb fordert Heidegger im Sinne der Maxime die "Bekümmerung um eine instinktsichere Vorurteilsüberlegenheit" (a.a.O., S. 2). Diese meint nicht Vorurteilslosigkeit, sondern die "Überlegenheit gegenüber jeder Möglichkeit, daß sich etwas als Vorurteil herausstellt" (ebd.), das Freisein "für die Möglichkeit, im entscheidenen Moment aus der Auseinandersetzung mit der Sache heraus ein Vorurteil aufzugeben" (ebd.). Von besonderer Bedeutung ist der Zusatz, daß diese Vorurteilsüberlegenheit "die Existenzform des wissenschaftlichen Menschen" sei (ebd.). Demnach genügt es innerhalb der Phänomenologie nicht, "wenn man sich auf ein bloßes Schauen und Sichhingeben an die Sachen beruft". Denn es könnte sein, "daß all das mit einer Unsumme von Vorurteilen belastet ist. Um zu den Sachen selbst zu kommen, müssen sie freigegeben werden" (a.a.O., S. 275). Hinter der Maxime "Zu den Sachen selbst" kann sich "der bornierteste Dogmatismus verbergen" (a.a.O., S. 60). Für Heidegger bußt das phänomenologische Prinzip seine radikale Tendenz ein durch die Husserlsche Auslegung, die den Weg zu den Sachen selbst nicht wahrhaft freigibt, sondern verstellt (vgl. a.a.O., S. 278). Husserls Auslegung dessen, was die Sachen selbst sind, ist jene Voraussetzung, unter der allein die Sachen selbst zu ihrer Selbstgebung gelangen sollen. Diese Voraussetzung wird aber von Heidegger als ein Vorurteil erkannt, das im Sinne der von der Maxime geforderten Vorurteilsüberlegenheit aufgegeben werden muß. Doch die Einsicht in dieses Vorurteil wird nur möglich, weil sich schon das freie Begegnenkönnen der Sachen selbst gezeigt hat, das durch die Husserlsche Auslegung unterbunden wird. Heideggers Antwort auf Husserls Freiburger Phänomenologie erwächst aus seinem radikaleren Ergreifen der phänomenologischen Maxime. Welches ist die von Heidegger als Vorurteil durchschaute Auslegung, die Husserl dem phänomenologischen Prinzip gibt? Wie bestimmt Husserl die Sachen selbst? Inwiefern unterbindet diese Bestimmung das freie Begegnenkönnen der Sachen selbst? Was sind die Sachen selbst für Heidegger? 2. Das Bewußtsein und die Sorge um die erkannte Erkenntnis Um verständlich zu machen, von welchen Sachen die Phänomenologie handelt, was für eine Art Sachen die sind, die die Phänomenologie Husserls bearbeitet, schickt Heidegger eine Kennzeichnung der Sachen voraus, die im Blickfeld des Aristoteles und damit der griechischen Philosophie stehen. Es sind einerseits das Sein der Welt und andererseits das leben als Sein in einer Welt. Wahrend das Sein der Welt den Charakter des Sich-selbst-zeigens (feinomenon) hat, ist das Sein des Lebens durch eine Grundmöglichkeit bestimmt, durch das Sprechen (logos) das Sein der Welt aufzuzeigen. Zugleich hat das Sein der Welt in seinem Sich-selbst-zeigen die Möglichkeit, sich lediglich auszugeben als, so wie das Leben die Moglichkeit hat, im Sprechen die daseiende Welt zu verdecken (vgl. a.a.O., S. 44). Das bedeutet für Heidegger, daß die griechische Interpretation des Daseins "innerhalb des Daseins" verbleibt, daß sie das Dasein selbst ist, sofern es durch die Explikation ausdrücklich wird. Demgegenüber hat sich die Betrachtungsrichtung der Phänomenologie Husserls (und früher schon die der neuzeitlichen Philosophie) umgekehrt. Sie ist geleitet "von der Vorherrschaft einer leeren und dabei phantastischen Idee von Gewißheit und Evidenz" (a.a.O., S. 43). Diese Vorherrschaft ist eine solche "vor jeder eigentlichen Freigabe des Begegnenkönnens der eigentlichen Sachen der Philosophie" (ebd.). "Die Sorge um eine bestimmte absolute Erkenntnis, rein als Idee genommen, bekommt die Vorherrschaft vor jeder Frage nach den Sachen" (ebd.). Die Idee einer bestimmten Erkenntnis bestimmt das Thema, anstatt daß umgekehrt "ein bestimmtes Sachverhältnis die wissenschaftlichen Bearbeitungsmöglichkeiten zuweist" (a.a.O., S. 44). Die vorherrschende Idee von absoluter Gewißheit und Erkenntnis ist es, die das Bewußtsein zum Sachfeld der Phänomenologie werden läßt. Der Vorrang des Sachfeldes "Bewußtsein" und mit diesem der Vorrang der Idee absoluter Gewißheit wird nun von Heidegger auf "eigentümliche Möglichkeiten" hin interpretiert, "die das Dasein in sich tragt" (a.a.O., S. 47). Damit wird aber deutlich, daß sich neben der Aristoteles-Interpretation nun vor allem auch die Husserl-Interpretation im Vorblick auf das Dasein vollzieht, daß die Ansetzung des Bewußtseins als Sachfeld für die absolute Erkenntnis eine Weise ist, wie sich das Dasein zu ihm selbst verhält. Es ist jene Seinsweise des Daseins, in der sich das Dasein der Möglichkeit begibt, sich selbst für die Selbstauslegung unverdeckt begegnen zu lassen. Doch bevor sich Heidegger der daseinsorientierten Interpretation der Phänomenologie des transzendental gereinigten Bewußtseins zuwendet, wurdigt er den Durchbruch der Phänomenologie in den "Logischen Untersuchungen" [2]. Obwohl diese traditionell orientiert sind auf Logik und Erkenntnistheorie, besteht ihr Ursprüngliches und Auszeichnendes darin, daß sie erstmals die Untersu chungsmaxime "Zu den Sachen selbst" formulieren und ihr entsprechend wirklich an den Sachen selbst arbeiten, die thematischen Gegenstande so, wie sie an ihnen selbst sind, zum Sichzeigen bringen (vgl. Einführung, S. 50). Weil sich die "Logischen Untersuchungen" trotz ihres traditionellen Rahmens ganz der Arbeit an den Sachen selbst widmen, ohne schon in die Vorherrschaft der neuzeitlichen Idee von absoluter Gewißheit und Erkenntnis einzuschwenken, gab Heidegger ihnen unter allen Schriften Husserls den uneingeschrankten Vorzug. Die "Logischen Untersuchungen" waren es, an denen er von 1920 bis 23 in einem jeden Samstag abgehaltenen Privatseminar das phänomenologische Sehen eingeubt hat. Denn an den phänomenologischen Analysen der V. und VI. L.U. ließ sich das Sehen auch für die schon seit 1919 in der Ausbildung stehende hermeneutisch-phänomenologische Urwissenschaft vom faktischen Leben lernen. Nach der Vergegenwärtigung des Durchbruchs der phänomenologischen Forschung in den "Logischen Untersuchungen" wendet sich Heidegger der anschließenden Ausbildung der Phänomenologie zu, und zwar mit der Anfrage, wie weit die in den L.U. gestiftete phänomenologische Forschungshaltung "festgehalten, wie weit sie abgebogen oder am Ende in ihrer entscheidenden Bedeutung aus der Hand gegeben wird" (a.a.O., S. 1). Statt Husserls Ausbildung der transzendentalen Phänomenologie vor allem in den "Ideen I" [3] im einzelnen durchzusprechen, kehrt sich Heidegger der Abhandlung "Philosophie als strenge Wissenschaft" (191l) [4] zu, um Husserls fortbildende Arbeit dort anzuhoren, "wo sie von sich selber spricht, [...] wo sie sich kritisch gegenüber der zeitgenossischen Philosophie ausspricht" (Einführung, S. 60). Denn diese Kritik "zeigt als solche aus der Art und Weise, wogegen sie sich wehrt, das, worauf 'es ihr ankommt" (ebd.). Husserls Kritik richtet sich gegen den Naturalismus und gegen den Historizismus in der Philosophie, die beide die Idee der Philosophie als strenger Wissenschaft gefährden. Naturalismus besagt, daß die "Seins- und Gegenstandsart des Naturzusammenhanges [...] zum inhaltlichen Leitfaden für die Erfassung von jederlei Art Sein und Gegenständlichkeit" (a.a.O., S. 64) wird. Für jedes Seinsgebiet und dessen erkenntnismaßige Bestimmung ist die "spezifische Strenge der mathematischen Naturwissenschaft" (ebd.) maßgebend. Die " Ausweitung einer bestimmten Wissenschafts- und Gegenstands-idee in der Richtung auf das thematische Feld der Philosophie" (ebd.) findet statt, wenn es zur "Naturalisierung des Bewußtseins" (a.a.O., S. 65) sowie zur "Naturalisierung der Ideen" (a.a.O., S. 66) kommt. Naturalisierung des Bewußtseins besagt, daß das als Natur gesetzte seelische Sein im Sinne naturwissenschaftlicher Kategorien bestimmt wird. Dadurch werden aber die idealen Gesetze in Gesetzlichkeiten reiner Bewußtseinsverlaufe umgedeutet, und ebenso werden die gultigen Normen in psychologische Verlaufsgesetze umgedeutet. Naturalisierung der Ideen bedeutet, daß die spezifische Gesetzlichkeit des Sinnes und seiner Geltung in eine Gesetzlichkeit des Naturverlaufes des Denkvorganges, die Norm und Ideengesetzlichkeit in eine Gesetzlichkeit des Denkverlaufes umgedeutet wird. Die Kritik, die Husserl als Klärung der Probleme kennzeichnet, richtet sich gegen die Naturalisierung des Bewußtseins und der Ideen, "um eine eigentliche Wissenschaft vom Bewußtsein zu gewinnen" (a.a.O., S. 71). Für Heidegger ist aber entscheidend, daß diese kritische Klärung "gerade die Absicht und die Idee einer wissenschaftlichen Bearbeitung des Bewußtseins", wie sie im Naturalismus vorliegt, verabsolutiert (ebd.). In der Klärung kommt es Husserl lediglich darauf an, das Feld des Bewußtseins von jeder naturalistischen Tatsächlichkeit zu reinigen, um so die Grundlage einer Philosophie als strenger Wissenschaft zu gewinnen. In dieser Reinigungstendenz zeigt sich für Heidegger "die Sorge um Sicherung der Erkenntnis auf dem Wege des Erkennens der Erkenntnis, [um] die Sicherung und Begründung einer absoluten Wissenschaflichkeit" (a. a. О., S. 72). In der Husserlschen Kritik des Naturalismus werden alle jene Momente beseitigt, "die die Gewinnung einer absoluten Evidenz und Gewißheit gefährden konnen" (ebd.). Die Reinigung ist zweifacher Art. Sie ist zuerst transzendentale Reinigung, indem das Bewußtsein von jeder Beimischung von Natursetzungen befreit wird. Da das transzendental gereinigte Bewußtsein noch ein individuell einmaliger Erlebnisstrom ist, bedarf es noch der eidetischen Reinigung, um in bezug auf das Bewußtsein Wesenserkenntnis in streng intersubjektiver Gultigkeit zu gewinnen. In dieser zweifachen Reinigung zeigt sich die Sorge um absolute Verbindlichkeiten, um absolute Wissenschaftlichkeit. Zu dieser Sorge gehört auch das Disziplininteresse, das Aussein auf die Fundamentaldisziplin der Philosophie, die absolute Wissenschaft als transzendentale Phänomenologie vom reinen Bewußtsein, die ihrerseits als Einheit von Disziplinen gefordert wird. Die Philosophie wird aufgefaßt als Norm- und Wertwissenschaft. Das Charakteristische dieser Sorge um die erkannte Erkenntnis ist das Vorwalten der absoluten Wissenschaftlichkeit, der absoluten Erkenntnis und ihrer Gewißheit vor einer freien Begegnismöglichkeit der Sachen selbst. Die Sachen selbst haben sich von vornherein jener Idee von Wissenschaftlichkeit und Erkenntnis zu fügen. Zur Husserlschen Konzeption einer Philosophie als strenger Wissenschaft gehört aber auch der vorherrschende Leitfaden der Erlebnisklasse des theoretischen Erkennens, an dem entlang die Struktur aller Erlebniszusammenhange expliziert wird. Die mathematische Naturerkenntnis wird als Prototyp zur Grundlage gemacht, die Geisteswissenschaften werden nur aus dem Gegensatz zu den Naturwissenschaften "in bezug auf diese durch Anderssein" (a.a.O., S. 83) bestimmt. Während Husserl in seiner Kritik des Naturalismus die Experimentalpsychologie als vermeintliche Grunddisziplin der Philosophie vor Augen hat, richtet er sich in seiner Kritik am Historizismus vor allem gegen Dilthey. Im Historizismus verwirft Husserl eine Übersteigerung bestimmter wissenschaftlicher Ideen. Geschichte wird von ihm nur angesetzt als Gegenstand einer Wissenschaftsgruppe, der Historie. Diese aber hat es nur mit Tatsachen zu tun. Deshalb kann eine Übersteigerung des Geschichtlichen als des Historischen im Sinne des Historizismus keinen Beitrag zur Philosophie als strenger Wissenschaft leisten. Aus dem konkreten Tatsachenmaterial des geistig-geschichtlichen Lebens sollen vielmehr "die Gestaltmannigfaltigkeiten als Gestalten des Sinnes" (a.a.O., S. 93) herausgestellt werden. "Die Idee dieser Geschichtsbetrachtung ist eine Morphologie oder Typologie der geschichtlichen Vorkommnisse" (ebd.), in der "das geschichtliche Dasein gänzlich degradiert wird" (ebd.). Sowohl in Husserls Kritik des Naturalismus wie in der des Historizismus wird durch die Sorge um erkannte Erkenntnis, d.h. durch die primäre Sorge um die Sicherung einer absolut gewissen Erkenntnis, "das menschliche Dasein ab solches von der Möglichkeit des Begegnens ausgeschlossen" (ebd.). Der in Husserls Geschichtsbetrachtung leitende Unterschied zwischen Tatsächlichem und Gültigem ist geschöpft aus dem theoretischen Verhalten als dem Urteilen. Angesichts dieses Ursprungs erhebt sich aber die Frage, mit welchem Recht dieser so entsprungene Unterschied auf jede Geistesgestaltung ausgedehnt werden darf. Angesichts dieser von Husserl scharf umrissenen Idee einer Philosophie als strenger Wissenschaft ist vor allem zu fragen, worin hier die Sorge um die Sachlichkeit der Sachen selbst besteht. Die in Husserls Selbstauslegung der Phänomenologie im Vollzug stehende Sorge um erkannte Erkenntnis ist Sorge um gerechtfertigte Erkenntnis" (a.a.O., S. 101), um "letztgültige Erkenntnis" (ebd.), um "eine evidente Allverbindlichkeit". Von vornherein wird nur diese Erkenntnis als die allein wissenschaftlihe Erkenntnis angesetzt. Dieser Sorge geht es primär darum, "überhaupt irgendeine mögliche absolut-verbindliche Erkenntnisart zu schaffen", während für sie das, "was in dieser Erkenntis erkannt werden soll, im vorhinein sekundär ist" (ebd.). Für die Philosophie als strenge Wissenschaft begegnen die Sachen selbst nur unter der Voraussetzung, daß sie sich der im vorhinein angesetzten Idee von absoluter Erkenntnis fügen. Damit gerat aber die phänomenologische Maxime "Zu den Sachen selbst" unter eine ganz bestimmte, nicht selbstverständliche Auslegung. "Zu den Sachen selbst" heißt jetzt in der als strenge Wissenschaft gekennzeichneten transzendentalen Phänomenologie nicht mehr, wie noch in den "Logischen Untersuchungen", die Sachen vor einer bestimmten Frageweise frei von ihnen selbst her zu vergegenwärtigen, sondern heißt: innerhalb dieser ganz bestimmt vorgezeichneten Problematik das Befragte begegnen zu lassen" (a.a.O., S. 102). Zugleich aber räumt Heidegger auch wieder ein, daß die phänomenologische Maxime auch noch unter der Husserlschen, die Begegnismoglichkeit der Sachen selbst einschränkenden Auslegung "eine gewisse Ursprünglichkeit gegenüber den Konstruktionen der zeitgenossischen Philosophie" (ebd.) hat. Andererseits kann nicht übersehen werden, daß die transzendentalphänomenologische Auslegung der Maxime "die viel fundamentalere Möglichkeit außerhalb des Gesichtskreises liegen läßt, das Seiende so freizugeben, daß lediglich die entsprechende Wurdigkeit des Seienden, befragt zu werden, darüber entscheidet, was primär Gegenstand der Philosophie ist" (ebd.). Von dieser Entscheidung heißt es, sie musse sich in sich selbst freigeben, "gegen die Möglichkeit, daß eine solche Erkenntnis nichts zu tun hat mit einer von der Mathematik aufgenommenen Idee von Wissenschaft, daß eine solche Entscheidbarkeit von dem Freigeben der Sachen her vielleicht aber erst den eigentlichen Sinn der Erkenntis vollzieht" (ebd.). Die Husserlsche Sorge um erkannte Erkenntnis hält sich jedoch nicht in einer seinsmaßig formalen Indifferenz, sondern ist eine, faktisch-geschichtliche Sorge. Als solche steht sie in der geschichtlichen Überlieferung des Descartesschen cogito sum als des certum, das seinerseits aus der Sorge um erkannte Erkenntnis bestimmt ist. Husserl übernimmt das cogito sum und die zu ihm gehörende certitudo als selbstverständlichen Ansatz für die transzendentale und eidetische Reduktion. Descartes' Philosophie des cogito sum schließt aber die mittelalterliche Ontotogie ein, die Descartes selbstverständlich übernimmt. Heideggers Rückgang von der phänomenologischen Kritik Husserls zu Descartes' Ontologie des cogito sum möchte zeigen, daß Husserls Phänomenologie des transzendentalen Bewußtseins von ontologischen Implikationen durchsetzt ist, deren Husserl sich selbst nicht bewußt ist und die deshalb zu den phänomenolgisch unausgewiesenen Voraussetzungen der Phänomenologie Husserls gehören. 3. Die Sorge der Gewißheit und die Verunstaltung der phänomenologischen Befunde Die an Descartes anschließende Sorge der Gewißheit ist es, die die positiven phänomenologischen Befunde Husserls "verunstaltet" (a.a.O., S. 270). Heidegger betrachtet diese Verunstaltungen nach drei Hinsichten: "1. in Hinsicht auf die Intentionalität selbst, 2. in Hinsicht auf die Fassung der Evidenz, 3. in Hinsicht auf die Bestimmung der phänomenologischen Forschung als der eidetischen" (ebd.). Neben der kategorialen Anschauung ist es die Intentionalität des Bewußtseins, die Heidegger zu den großten, weil bahnbrechenden Entdeckungen der Husserlschen Phänomenologie zählt. Heidegger kennzeichnet die Struktur der Intentionalität so: mit dem jeweiligen cogitare ist das cogitatum gegeben "als das Seiende im Wie seines jeweiligen Begegnens für den Zugang und Umgang selbst" (a.a.O., S. 260). Hierzu sagt er: "Mit dieser Entdeckung der Intentionalität ist Zum ersten Mal in der ganzen Geschichte der Philosophie ausdrücklich der Weg für eine radikale ontologische Forschung gegeben" (ebd.). "Solange ich nicht diesen Boden habe, bin ich außerstande, in irgendeinem Sinne je in der direkten Betrachtung des Seienden so etwas wie einen Seinscharakter zu sehen, ja so etwas wie Ontologie zu treiben" (a.a.O., S. 262). Diese positive Würdigung macht zweierlei deutlich: zum einen die Weise, wie Heidegger für sein eigenes phänomenologisches Fragen die von Husserl entdeckte Intentionalität aufgreift und fruchtbar macht, und zum anderen, daß Husserl gerade diesen Weg nicht gegangen ist, weil ihn die ihn bestimmende Sorge der Gewißheit daran hindert. Die Verunstaltung der Intentionalität sieht Heidegger darin, daß diese "weniger ausdrücklich als unausdrücklich immer als spezifisches theoretisches Sichverhalten gefaßt wird" (a.a.O., S. 271), d.h. als ein Meinen-von-etwas, das die Blickrichtung für jede intentionale Analyse vorzeichnet. Dieses theoretische Meinen bildet zugleich das Fundament der mehrstüfigen intentionalen Bewußtseinsweisen. Das Studium der Intentionaltität ist überhaupt am Intentionalen des Erkennens orientiert. Entsprechend wird auch das Seiende in seinem intentionalen Gegebensein in der theoretischen Auffassung genommen. Das zeigt sich darin, daß das real Seiende als Naturding das Fundament bildet für alle anderen Seinsmöglichkeiten, wie die der Kultur und Geschichte, in denen es aufgefaßt werden kann. Die Vorherrschaft des theoretischen, d.h. vernehmenden und betrachtenden Erkennens der Natur ist aus der Sorge um die Gewißheit motiviert. Von der phänomenologischen Thematisierung der Evidenz betont Heidegger, daß alles, was Husserl darüber ausgeführt hat, allem bisher in der Philosophie darüber Gesagten weit überlegen sei. Denn Husserl habe die Evidenz zum ersten Mal auf einen geeigneten Boden gestellt. Evidenz ist für Husserl die Deckung von Gemeintem mit dem an ihm selbst Erfaßten. Dennoch ist zu sehen, daß Husserl nur die "Erfassungs - und Bestimmungsevidenz (a.a.O., S. 273) kennt, die analog auf die übrigen Verhaltungsweisen und deren Evidenz übertragen wird. Darin zeigt sich aber eine Verunstaltung des Evidenz-Phänomens durch die herrschende Sorge um erkannte Erkenntnis. Denn für Heidegger beginnt "die eigentliche Evidenzfrage in fundamentalem Sinne erst [...] mit der Frage nach der spezifischen Evidenz des Zuganges zu einem Sein und des Erschließens dieses Seienden" (ebd.). "Erst innerhalb dieses so gefaßten Phänomens hat die theoretische Evidenz ihre Stelle" (ebd.). Während für Husserl phänomenologische Erkenntnis erst dann gültige wissenschaftliche Erkenntnis wird, wenn sie durch die eidetische Reduktion Wesenserkennntnis im strengen Sinne ist, wird für Heidegger die phänomenologische Forschung gerade durch diese Methode verunstaltet. In der eidetischen Erkenntnis sollen die Grundgattungen und die ihnen untergeordneten Arten der Bewußtseinserlebnisse gewonnen werden. Die eidetische Reduktion bewegt sich in den ontologischen Bestimmungen von Gattung, Art, spezifischer Differenz und eidetischer Singularität, d.h. in Kategorien, "die ihren bestimmten Boden haben und über ein solches Sein wie Bewußtsein nichts sagen" (a.a.O., S. 274). Damit werden durch die eidetische Reduktion ontologische Bestimmungen anderer Herkunft auf das Bewußtsein übertragen. Von hieraus kommt Husserl schließlich dazu, die Idee einer Mathesis der Erlebnisse zu konzipieren, d.h. rein apriori die reinen Möglichkeiten der Erlebnisse zu bestimmen. Hier zeigt sich wieder ganz deutlich, wie Husserl die phänomenologische Maxime "Zu den Sachen selbst" auslegt. Die Sachen selbst sind die Bewußtseinserlebnisse, sofern sie nicht nur der transzendentalen, sondern auch der eidetischen Reduktion unterworfen werden. Innerhalb der Sorge um erkannte Erkenntnis, die die Sorge ist, in der die transzendentale Phänomenologie Husserls steht, kann es nicht dazu kommen, das "Leben selbst in seinem eigentlichen Sein zu verstehen und die Frage nach seinem Seinscharakter zu beantworten" (a.a.O., S. 275). 4. Die Sorge um die Freigabe des Daseins selbst Heideggers Antwort auf Husserls Freiburger Phänomenologie des transzendentalen Bewußtseins ist die hermeneutische Phänomenalogie des Daseins. Hier ist an Heideggers eigene Kennzeichnung seines Verhältnisses zu Husserl während der Zeit von 1918 bis 1923 aus "Sein und Zeit" zu erinnern. "Wenn die folgende Untersuchung einige Schritte vorwärts geht in der Erschließung der "Sachen selbst", so dankt das der Verf. in erster Linie E. Husserl, der den Verf. während seiner Freiburger Lehrjahre durch eindringliche persönliche Leitung und durch freieste Überlassung unveröffentlichter Untersuchungen mit den verschiedensten Gebieten der phänomenologischen Forschung vertraut machte" [5]. Und ferner heißt es an derselben Stelle: "Die folgenden Untersuchungen sind nur möglich geworden auf dem Boden, den E. Husserl gelegt, mit dessen "Logischen Untersuchungen" die Phänomenologie zum Durchbruch kam" (ebd.). Die Untersuchung von "Sein und Zeit" geht "einige Schritte vorwärts [...] in der Erschließung der "Sachen selbst", indem sie durch ein freieres Sichüberlassen der phänomenologischen Maxime die in der Phänomenologie des Bewußtseins verdeckte Möglichkeit der Phänomenologie des Daseins ergreift. Was schließlich in "Sein und Zeit" als hermeneutische Phänomenologie des Daseins vorgelegt wird, beginnt 1919 unter dem Namen der vortheoretischen Urwissenschaft vom Leben und Erleben und erhält anschließend die Namen der Ursprungswissenschafl vom faktischen Leben, der ontologischen Phänomenologie und der Hermeneutik der Faktizität. So wie Husserl in seiner Phänomenologie des Bewußtseins die Grundlegung der Philosophie im ganzen anstrebt, so sucht Heidegger bereits seit dem Kriegsnotsemester 1919 [6] unter dem Titel der vortheoretischen Urwissenschaft vom Leben und Erleben, die Idee der Philosophie und damit die Philosophie im ganzen neu zu gr unden. Dabei geht es vor allem um die hermeneutisch-phänomenologische Freilegung des Lebens und Erlebens in seinem vortheoretischen Charakter, der als solcher noch nie von der Philosophie, auch nicht von der griechischen Philosophie, gesehen und bestimmt wurde. Wenn sich Heidegger auch für die Gewinnung des vortheoretischen Lebens auf die phänomenologische Methode des Rückgangs auf die Sachen selbst beruft, so setzt hier gerade seine Kritik an Husserl ein, der die Phänomenologie und d.h. ihr Prinzip am Vorrang des Theoretischen orientiert. Diese schon auf die griechische Philosophie zurückgehende Vorherrschaft des theoretischen Erkennens und Denkens ist es, die in der philosophischen Behandlung der Seele, des Lebens oder des Geistes niemals dazu geführt hat, daß das Leben frei, d.h. ohne den Vorgriff auf das Theoretische, von ihm selbst her begegnen konnte. Indem dieser Vorgriff als ein nicht aus den Sachen selbst gegründetes Vorurteil eingesehen und das Leben selbst in die Möglichkeit versetzt wird, sich in seinem eigensten Seinscharakter zeigen zu können, eröffnet sich eine bislang verhüllt gebliebene Sachdimension, innerhalb deren die Philosophie eine neue Grundlegung erfährt. In diesem Sinne heißt es in der ersten Marburger Vorlesung: "Sofern nun aber für uns heute die ausgezeichnete Lage besteht, daß durch die Herrschaft der Sorge der Wissenschaftsausbildung alle Lebensgebiete und Seinswelten in einer eigentümlichen Weise theoretisiert sind, entsteht die Grundaufgabe, erst einmal hinter diese Theoretisierung zurückzugehen, um aus dem Dasein selbst die mögliche Grundstellung neu zu gewinnen" (Einführung, S. 269). Der Vorrang des Theoretischen in der Auslegung des Lebens und Erlebens gehört in die Wesensbestimmung des Menschen als des vernünftigen Lebewesens, auf die sich Husserl eigens noch einmal in seiner letzten großen Arbeit "Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie" [7] beruft. Diese Wesensbestimmung bildet in der überlieferten Philosophie den ausdrücklichen oder unaüsdrucklichen Leitfaden für alle philosophischen Fragen. Husserls Auslegung der phänomenologischen Maxime "Zu den Sachen selbst" ist ebenfalls bestimmt durch jenen Leitfaden. Wird von Hidegger die Vorherrschaft des Theoretischen als ein Vorurteil sowohl der überlieferten Philosophie als auch der Husserlschen Auslegung der Phänomenologie eingesehen, dann tritt an die Stelle des bisherigen philosophischen Leitfadens das vor-theoretische Leben bzw. das Dasein als neuer und künftiger Leitfaden der Philosophie. Die hermeneutische Phänomenologie des vor-theoretischen Daseins in "Sein und Zeit" ist die Ausarbeitung des neuen Leitfadens der Philosophie. Diese Ausarbeitung befolgt in jedem ihrer Schritte das von der Vorherrschaft des Theoretischen befreite phänomenologische Prinzip "Zu den Sachen selbst". In dieser ausdrücklichen phänomenologischen Sichtweise, das Dasein von ihm selbst her frei begegnen zu lassen, müssen auch die Analysen in der Auslegung mitvollzogen werden. Transzendenz und Horizont bilden in ihrer Zusammengehörigkeit die Grundstruktur des Daseins. Diese transzendental-horizontale Struktur des Daseins ist es, die Heidegger im Übergang in das seinsgeschichtliche Ereignis-Denken überwindet, nicht aber die hermeneutisch-phänomenologischen Einsichten in die Seinsweise und Seinscharaktere des Daseins. Denn das Dasein als geworfener und das heißt nun als ereigneter Entwurf gehört in das Ereignis. Auch die Erfahrung der Geschichtlichkeit des Seins und der Zusammengehorigkeit von Sein und Dasein als Ereignis bleibt bestimmt durch das Auszeichnende der Phänomenologie, das sich in dem Ruf "Zu den Sachen selbst" ausspricht. Denn wenn sich das seinsgeschichtliche Denken als ein solches bestimmt, das nicht "über" das Sein, sondern "aus" dem Sein selbst denkt, nämlich jeweils das, was sich im ereignenden Zuwurf als das in den denkenden Entwurf Aufzunehmende zeigt, dann weiß sich auch noch das Ereignis-Denken allein "den Sachen selbst" verpflichtet. Die entscheidende Antwort Heideggers auf Husserls Freiburger Phänomenologie liegt in der Vorbehaltlosigkeit, mit der er dem Ruf des von Husserl formulierten phänomenologischen Grundprinzips "Zu den Sachen selbst" gefolgt ist. Seine Kritik an der Husserlschen Phänomenologie ist eine zu höchst phänomenologische Kritik, die sich aus dem radikaleren Ergreifen der phänomenologischen Maxime ergibt. Die Radikalität, in der mit dieser Maxime Ernst gemacht wird, ist die prinzipielle phänomenologische Einsicht, daß das Erste in der phänomenologischen Philosophie nicht eine vorgefaßte Idee wissenschaftlicher Erkenntnis sein darf, daß ihr Erstes vielmehr das freie Begegnenkonnen der Sachen selbst sein muß, das seinerseits erst den Charakter der Wissenschaftlichkeit vorzeichnet. Das, was Heidegger für seinen eigenen phänomenologischen Weg Husserl verdankt, sagt er im Vorwort zu seiner letzten frühen Freiburger Vorlesung "Ontologie (Hermeneutik der Faktizität)" in einer unüberbietbaren Weise: "die Augen hat mir Husserl eingesetzt" [8]. Anmerkungen: 1. M. Heidegger, Einführung in die phänomenologische Forschung. Gesamtausgabe Bd. 17. Hg. v. F. -W v. Hermann. Frankfurt a. M. 1994 (zitiert als: Einfürung). 2. E. Husserl, Logische Untersuchungen. Erster Band: Prolegomena zur reinen Logik. Tübingen 1968 (auch: Husserliana Bd. XVIII. Hg. v. E. Holenstein. Den Haag 1975). Zweiter Band: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. I. Teil (I.- V Logische Untersuchung). Tubingen 1968 (auch: Husserliana Bd. XIX/1. Hg v. U. Panzer. Den Haag 1984). Zweiter Band, Erster Teil (VI. Logische Untersuchung): Elemente einer phänomenologischen Aufklärung der Erkenntnis. Tübingen 1968 (auch: Husserliana Bd. XIX/2. Hg. v U. Panzer. Den Haag 1984). 3. E. Husserl, Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Erstes Buch: Allgemeine Einführung in die reine Phänomenologie. Halle a. d. S. 1922 (auch: Husserliana Bd. III. Hg. v. W. Biemel. Den Haag 1950). 4. E. Husserl, Philosophie als strenge Wissenschaft. Hg. v. W. Szilasi. Frankfurt a. M. 1965. 5. M. Heidegger, Sein und Zeit. Einzelausgabe Tübingen 1986, S. 38; Gesamtausgabe Bd. 2. Hg. v. F.-W. v. Herrmann. Frankfurt a. M. 1977, S. 52. 6. M. Heidegger, Die Idee der Philosophie und das Weltanschauungsproblem. In: Zur Bestimmung der Philosophie. Gesamtausgabe Bd. 56/57. Hg. v B. Heimbuchel. Frankfurt a. M. 1987. 7. E. Husserl, Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Husserliana Bd. VI. Hg. v. W. Biemel. Den Haag 1954, S. 13. 8. M. Heidegger, Ontologie (Hermeneutik der Faktizit at). Gesamtausgabe Bd. 63. Hg. v. K. Brocker-Oltmanns. Frankfurt a. M. 1988. 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